Geschichte der Familie von Walthausen

Einige Auszüge aus dem Buch von Dr. Max Bär

(erschienen im August Lax Verlag 1929)

Einleitung.

Der Kanzler Jobst von Walthausen war der Sohn des Hameler Bürgers und Gewandschneiders Henning Weldihusen. Erst der Kanzler hat den väterlichen Namen mit dem Beginne seines Universitätsstudiums in Walthusen geändert. So hat er sich selbst immer geschrieben. Seine Zeitgenossen nannten ihn Walthausen. Ebenso schrieben sich auch seine Söhne. Und diesen Namen haben nicht gleich, aber sehr bald auch die übrigen Mitglieder seiner Verwandtschaft angenommen und weiterhin auch wohl manche anderen Träger des älteren Namens. Denn es ist nicht von allen, die sich Walthausen nannten und irgendwo und auch in Niedersachsen auftraten, ohne Prüfung eine Beziehung zur Familie des Kanzlers anzunehmen und auch nicht von allen Trägern des älteren Namens Weldihusen, Welligehusen und Weldingehusen eine Zusammengehörigkeit untereinander vorauszusetzen. Nur das verbindet alle Träger dieses Namens, daß sie ihn herzuleiten haben von dem unweit Hameln gelegenen Orte Welliehausen. Einwohner dieses Ortes haben beim Fortziehen in andere Dörfer und Städte am neuen Wohnsitz diesen Namen ihrer Herkunft geführt und ihn auch im Falle ihrer Rückwanderung zurückgetragen.

Über die Vorfahren des Kanzlers und über seine ältere Verwandtschaft haben sich nur unzureichende Nachrichten ermitteln lassen. Zwar seinen Vater hat er uns selbst genannt. Aber die Brüder des Vaters und den Großvater hat als solche, d. h. als Vaterbrüder und Großvater, keine urkundliche Quelle überliefert. Mehr denn ein Dutzend alter Stammtafeln über die ältesten Mitglieder der Familie liegen wohl vor, die aus Anlaß eines Lehnstreites im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts aufgestellt oder zum Vorschein gekommen sind. Aber diese Aufstellungen sind nichtamtliche, persönliche Beibringungen ohne urkundliche Belege oder, wie sie der Anwalt der Grafschaft Spiegelberg im Jahre 1703 bezeichnete, eine privata scriptura, der kein Glaube beigelegt werden könne. Und da sie nicht vollkommen miteinander übereinstimmen und für den älteren Teil urkundlich nicht nachgeprüft werden können, entbehren sie vollends der Glaubwürdigkeit.

Nur eine dieser Stammtafeln bildet eine Ausnahme. Sie ist vom Propst des Bonifaziusstiftes in Hameln Dr. Anton Walthausen lange vor jenem Lehnstreit, aber gleichfalls ohne Angabe urkundlicher Belege aufgestellt. Anton Walthausen wurde zwei Jahre nach dem Tode des Kanzlers geboren und sein Sohn Jobst Heinrich hat vor dem Dekan, Senior und dem gesamten Kapitel des Bonifaziusstiftes in Hameln die Verfasserschaft und Handschrift des Vaters bezeugt und sich zur eidlichen Bekräftigung seiner Angaben erboten. Der Propst war als Vormund des Enkels des Kanzlers, des Jobst Moriz von Walthausen, des Letzten dieser Linie, amtlich bestellt gewesen. Die Glaubwürdigkeit dieser Stimmtafel beruht also auf der amtlichen Bedeutung und dem guten Namen des Propstes. Es liegt aber auch gar kein Anlaß vor, seine Angaben zu bezweifeln, da sie mit den Urkunden über die weitere Entwicklung und die Zusammengehörigkeit der Familie nicht in Widerspruch stehen. Nach dieser Stammtafel erscheint als Stammvater ein Kord mit den drei Söhnen Henning, Hans und Tönnies und diese drei mit folgenden Söhnen: Henning mit Jobst, Hans mit Johann, Franz und Christof, Tönnies mit Kord und Tönnies. Die Söhne Jobst, Johann und Christof sind auch quellenmäßig als solche nachweisbar. Die Söhne von Tönnies, Kord und Tönnies, ermangeln eines urkundlichen Beweises ihrer Abstammung. Aber der Propst Anton war der Enkel dieses jüngeren Tönnies und seine Angaben dürfen bezüglich seiner eigenen Linie ganz gewiß eine noch erhöhte Glaubwürdigkeit beanspruchen. Für den Zusammenhang der Familie ergibt das folgende Stammtafel:

                                 Kord
                --------------------------------------------
              Henning             Hans                Tönnies
                |                  |                  ----------
              Jobst      Johann, Franz, Christof      Kord     Tönnies
                                                       |        |
                                                      Hans     Hans
                                                                |
                                                               Anton
		

Neben dieser Stammtafel ist der zweite und wichtigere Nachweis für die Verwandtschaft und Zusammengehörigkeit der Familie der Antrag des Kanzlers Jobst von Walthausen auf Erteilung eines Wappenbriefes für sich und seine Vettern und der Umfang, in dem in der Folge die Wappenführung verwirklicht d. h. von welchen Linien das Wappen mit Wissen des Kanzlers und seiner Linie geführt worden ist.

Im Februar 1556 hat der Kanzler "Jobst Walthusen" die Erteilung eines Wappenbriefes durch den Kaiser beantragt für sich und seine Erben und für seine "Vetteren Heinrich, Cordt und Hans Weldehausen, anders genant Walthusen" und deren Erben. Im folgenden Monat, mit dem Datum: Brüssel, den 3. März, vollzog der Kaiser Karl V. einen Adelsbrief für "Jobsten, Heinrichen, Conraden, Hannsen die Waldehausen genant Walthausen, Gevetteren und Geprudern". So nämlich hieß es auch in dem Kanzleivermerk auf der Eingabe Walthausens, daß die Ausfertigung stattfinden solle für "Jost, Hainrich, Conrad und Hans Weldehausen, sonst Walthausen genant, Gevettern und Gebrueder". Später, unter dem 16. Juli 1568, wurde dem Kanzler der frühere Adelsbrief vom Kaiser Maximilian II. bestätigt und das Wappen verbessert. In dieser Bestätigung war die Ausdehnung auf die Vettern unterblieben und wohl vergessen worden. Auf Antrag des Kanzlers ist dann die Wappenverbesserung durch eine Urkunde vom 8. September 1569 auch auf seine "Agnaten und Blutsverwandten" ausgedehnt worden.

*Daß in dem Antrage des Kanzlers nur von seinen Vettern die Rede ist, während in dem Kanzleivermerk und dem Adelsbrief selbst die außer dem Kanzler Begnadeten Gevettern und Gebrüder genannt werden, könnte befremden. Demgegenüber ist zu bedenken, daß dem Kanzler die Bezeichnung "Vettern" genügt haben dürfte, um s e i n Verwandtschaftsverhältnis zu diesen hinreichend zu kennzeichnen. Die kaiserliche Kanzlei wird indessen bei den Verhandlungen von dem Kanzler erfahren haben, daß die 3 von ihm vorgeschlagenen "Vettern" auch unter sich verwandt, ja zum Teil Brüder waren. Diese Beziehung sollte dann der Zusatz Gebrüder klarer herausheben. Auf das Verwandtschaftsverhältnis selbst aber wird unten noch näher eingegangen werden.*

Gilt es nun, die Vettern des Kanzlers, Heinrich, Kord und Hans, in die dem Propst Anton zugeschriebene Stammtafel einzureihen, so begegnet diese Absicht einigen Schwierigkeiten. Nur Kord, der angebliche Sohn des Tönnies, der Begründer der Afferder Mühle, der Vater des herzoglichen Vogtes in Hameln Hans Walthausen, ist mit Sicherheit als der an zweiter Stelle des Adelsbriefes genannte Vetter anzusprechen. Er ist der älteste urkundlich nachweisbare Vorfahr der heutigen Familie von Waldthausen und übrigens recht eigentlich der Träger des Beweises, daß die Familie aus Welliehausen stammt, denn er ist 1517 in Welliehausen geboren.

*Was den dritten Vetter Hans betrifft, so kann es sich bei diesem nicht wohl um den Vatersbruder des Kanzlers, den Hamelner Ratsherrn Hans handeln. Denn Hans war Ratsherr in den Jahren 1533, 1534, 1536, 1537, 1538, 1539, 1541, 1544, 1545 und zum letzten Male im Jahre 1547. Danach kommt er in den Ratsherrenlisten nicht mehr vor, so daß er wohl bald darauf gestorben sein wird, zumal er als Bruder des Henning, der 1496 oder 1497 heiratete, sich zu jener Zeit schon in einem hohen Alter befunden haben dürfte. Aber auch nach den Schoßbüchern der Stadt muß angenommen werden, daß er im Jahre 1556 nicht mehr gelebt hat. Zum letzten Male wird er auch hier im Jahre 1547 erwähnt, und sein Sohn Johann bewohnt 1553 schon das väterliche Haus in der Bäckerstraße. Dieser hat 1550 die Braugilde gewonnen, wahrscheinlich, als er nach dem Tode des Vaters Besitzers des Hauses geworden war. Hätte Hans 1556 noch gelebt, so hätte der Kanzler doch wohl auch statt der Söhne desselben Johann und Cristoph, die er 1551 und schon vorher wahrscheinlich 1550, ferner 1558 und 1566 mit Lehnbesitz versorgt hat, in den Jahren 1550 und 1551 ihren Vater damit bedacht. Es ist schließlich nicht anzunehmen, daß der Kanzler seinen Onkel Hans nach dessen Neffen, seinen Vettern Heinrich und Kord an dieser Stelle genannt haben sollte.

Der geadelte Hans kann unter solchen Umständen nur Hans, der Vater des Propstes und Sohn des Tönnies (1), sein. Dieser ist zwar erst 1638 gestorben, doch schließt dies nicht aus, daß er 1556 bereits gelebt hat. Da er, und nicht sein Vater Tönnies geadelt wurde, muß letzterer damals schon verstorben gewesen sein.*

Der dritte, im Wappenbrief an erster Stelle genannte Vetter Heinrich findet sich im Antonschen Stammbaum Oberhaupt nicht aufgeführt. Das hat seinen guten Grund. Dieser Heinrich hat nicht in Hameln, sondern auswärts als gräflich Schaumburgischer Holzmeister Heinrich Welligehausen in Pötzen gewohnt und war nebst seinem Sohne Christof bereits einige Jahrzehnte tot, als Propst Anton den Stammbaum aufstellte. Daß es sich aber um den Holzmeister in Pötzen wirklich gehandelt hat, erweist die Tatsache, daß dessen Sohn Christof Walthausen unter den Augen des Kanzlers mit dem Walthausenschen Wappen von 1556 gesiegelt und ein eigenes Petschaft mit den Anfangbuchstaben seines Namens besessen hat. Heinrich ist von 1549 bis 1588 in Pötzen nachweisbar, sein Sohn war 1545 oder 1546 geboren.

*Da die geadelten Kord und Hans keine Brüder waren, nach dem Diplom von 1556 aber zwei der Geadelten Brüder gewesen sein müssen, so bleibt nur übrig, daß Heinrich ein Bruder entweder von Kord oder von Hans war und zwar ein älterer Bruder, da er an erster Stelle genannt ist. Ein Bruder des Hans kann er nicht wohl gewesen sein, da die Brüder doch sicherlich nebeneinander und nicht durch einen dritten Verwandten getrennt aufgeführt worden wären. Sodann müßte, da Heinrich's Sohn Christoph 1545 oder 1546 geboren ist, die Geburt des Vaters spätestens Anfang der 20er Jahre erfolgt sein. Daß aber der 1638 gestorbene Hans einen zu so früher Zeit geborenen Bruder gehabt hätte, ist nicht anzunehmen. Heinrich kann sonach nur ein älterer Bruder des 1517 geborenen Kord gewesen sein, was der Zeit nach sehr wohl möglich ist.

Die vorstehenden Darlegungen führen zu dem Ergebnis, daß der Kanzler die ganze Tönnies-Linie hat adeln lassen. Der Grund, weshalb er die Söhne des verstorbenen Ratsherrn Hans und die wahrscheinliche Linie des weiter unten in Teil II. Abschnitt 2 erwähnten jüngeren Kord in Welliehausen nicht mit eingeschlossen hat, wird wohl gewesen sein, daß er die Reihe der Vettern nicht zu lang machen wollte, auch Hans Söhne, Johann und Christoph, mit Lehnbesitz schon bedacht hatte, und Johann noch nicht verheiratet war. 1569 wurden dann auch diese beiden Linien durch ein einfaches Mittel mitgeadelt, indem die kaiserliche Begnadung auf alle Agnaten und Blutsverwandten ausgedehnt wurde (2). *

Als letzter Nachweis für die Zugehörigkeit zur Verwandtschaft des Kanzlers gilt der Umfang, in welchem der Adels- und Wappenbrief wirklich verwendet worden ist. Den Adel hat seiner Zeit nur die Kanzlerlinie geführt. Die Verwandtschaft hat davon zunächst keinen Gebrauch gemacht, wohl wiel ihre soziale Stellung dazu sich nicht eignete, und der Kanzler selbst hat keinen seiner Vettern mit von Walthausen bezeichnet. Johann, der Sohn des Hans, wird einige Male von anderen als von Walthausen genannt, aber irrtümlich und wohl durch die nahen Beziehungen zum Kanzler veranlaßt. Er selbst hat sich nicht so genannt, sondern "Johann Walthausen" unterzeichnet. Erst im 19. Jahrhundert haben sich die Mitglieder der Linie des Kord in Afferde bei den Verhandlungen über die Lehnablösung in den Jahren 1837 und 1838 als von Walthausen unterschrieben und sind auch von der hannoverschen Lehnkammer selbst so genannt worden. Des Wappens aber haben sich alle Berechtigten bedient: Heinrichs Sohn Christof, des Hans Sohn Johann, die Linie des Kord und die des Hans in Afferde, des Vaters von Anton.

Nach den verschiedenen Linien dieser Wappengemeinschaft als der "Blutsverwandten" gliedert sich nun von selbst der gesamte Stoff, der im folgenden als eine Geschichte der Familie von Walthausen in Niedersachsen zur Darstellung kommen soll. Zuvor jedoch ist es nötig, den Ort Welliehausen und die dortige Familie gleichen Namens, die noch 1701 in den Akten des Brockenser Lehnstreites als "Welliehuser Bauernlinie" bezeichnet wird, zu behandeln und der Niederlassung von Trägern desselben Namens in der Nachbarschaft und in der Stadt Hameln zu folgen.

Anmerkungen:
  1. Ein anderer als dieser Tönnies war der in Welliehausen 1562 als Besitzer einer Lämmerherde in Teil II, Abschnitt 2 genannte Tonnies Wellihausen.^
  2. Daß der Kanzler den jüngeren Kord in Welliehausen und nicht den Möller Kord hätte adeln lassen, ist ausgeschlossen. Denn dann würde ein Bruder unter den Geadelten fehlen, da der 1588 noch lebende Heinrich für einen älteren Bruder dieses vermutlich vor Henning, etwa 1470, geborenen Kord zu jung war und als Bruder des Hans, des Vaters des Propstes, aus den schon angeführten Gründen nicht in Betracht kommt.^